Im Juli 2006 erreichte uns folgender Leserbrief.
Unsere Antwort folgt darunter

An jungelinke im Juli 2006
Vielen Dank, ich bin zufällig auf Eurer Seite gelandet. Es war sehr interessant zu lesen, wie Ihr über Arbeit und Sozialleistungen denkt. Teilweise bin ich Eurer Meinung. Ich bin auch gegen Nation. Deshalb gehe ich ins Ausland.Mein Kapital habe ich mir hart erarbeitet. Deshalb hänge ich daran. In den meisten Ländern wird es gewürdigt, wenn ich Arbeitsplätze schaffe. Diejenigen die hier verloren gehen? Nicht mein Bier - ich bin kein Nationalist. Den Arbeitnehmern viel Spass in der sozialen Hängematte.
HG

Hallo Herr G.
schön, dass unsere Seite Sie interessieren konnte. Wir hoffen, dass unsere Haltung zum Kapital Sie nicht zu Missverständnissen angeregt hat.
Dass wir gegen das Kapital sind, soll nämlich keineswegs heißen, dass wir gegen Kapitalisten wären. Wir haben ein großes Interesse daran, die gesamte Weise, in der die gesellschaftliche Reproduktion gegenwärtig geregelt ist, umzumodellieren; und zwar so, dass das Wohlergehen der Menschen Zweck der Gesellschaft ist, nicht mehr die Akkumulation des Kapitals, die sich unserer Meinung nach immer wieder gerade gegen das Wohl der meisten stellen muss. Wir wollen also nicht Kapitalisten bekämpfen, sondern das Kapital als Produktionsprinzip. Wir befürchten nämlich, dass die wohlgemeinten Bemühungen, die Kapitalisten in gegenwärtigen Gesellschaften anstreben mögen, und die Sie ganz offensichtlich anstreben, nämlich das Leben von Menschen zu verbessern, immer wieder recht früh an Grenzen stoßen, so lange es Kapital und Konkurrenz gibt. An diesen Grenzen werden, mit Verlaub, Ihre subjektiven Vorstellungen davon, wie Sie als Kapitaleigner ihren Angestellten gegenüber handeln möchten, im Zweifelsfall ziemlich schnell zusammenklappen.
Dass Sie nicht darauf bedacht sind, ausgerechnet in Deutschland Arbeitsplätze zu schaffen, freut uns. In der Tat ist es gleich gut oder schlecht, die Arbeitskraft von US-Amerikanerinnen oder Togolesen einzukaufen. Dass Sie überhaupt Arbeitsplätze schaffen wollen, klingt zunächst wie ein nettes Anliegen. Jedoch ist ja Arbeit gar nicht das, was Menschen tatsächlich brauchen, sondern nur das Mittel zur Erlangung dessen. Ob nun diejenigen, die da arbeiten, damit auch eine angenehme Fülle von Lebensmitteln erlangen, ist im Begriff vom Arbeitsplatz gar nicht enthalten. Ihr Anliegen, diese Arbeitsplätze zu schaffen, realtiviert sich nämlich weiter an den oben genannten Grenzen, die die Konkurrenz der Kapitale (und die der Arbeiter/innen) definiert. Auch Sie werden sich im Zweifelsfall dafür entscheiden müssen, zu rationalisieren. Außerdem wird es auch in Ihrem Betrieb in jedem Falle so sein, dass die Arbeiter viel mehr arbeiten müssen, als bei einem vernünftigen, gesellschaftlich geplanten Umgang mit Produktionsmitteln notwendig wäre, und genauso werden Sie Sich das Mehrprodukt dieser Arbeit aneignen müssen, denn sonst haben Sie bald kein Unternehmen mehr. Es sei denn, Sie wollen Ihren Betrieb kollektivieren, aber das hieße auch nichts weiter, als sich selbst den gleichen Bedingungen zu unterwerfen, die für die Arbeiter gelten. Und ob Sie andernfalls Ihren Arbeitern Löhne zahlen können, von denen sie ein angenehmes Leben führen können, bestimmen eben auch nicht Sie alleine, sondern der Markt. Sie sehen, es ist ein Kreuz mit dem guten Leben und der Wohltäterei, ob man nun Arbeiter ist oder Kapitaleigner. Die Form des Wirtschaftens bindet einen an lauter Dinge, die man, wenn es einem um die Menschen zu tun ist, gar nicht möchte.
Vielleicht können sie ja weiterhin unsere Veröffentlichungen verfolgen, gleichzeitig Kapitalist bleiben (denn Lohnarbeiter oder arbeitslos sein ist auf keinen Fall angenehmer; von einer Hängematte kann gar keine Rede sein!) und für den Fall, dass die Abschaffung des Kapitals einmal anstünde, trotzdem auf unserer Seite sein.
(Und damit das nicht ewig auf sich warten lässt, teilen wir Ihnen gerne auch vorher schon unser Konto für Spenden mit.)
Mit freundlichen Grüßen
Liam S. Chesterfield
junge linke hannover