31.12.1998 PDF

Natural born Sauerkraut vs integrierter Döner Kebap

Zur Debatte um die doppelte Staatsbürgerschaft

I. Warum es kein menschenwürdiges Recht auf Staatsangehörigkeit geben kann
II. Zum geltenden Staatsangehörigkeitsrecht
III. Dokumentation: Alles neu, nicht anders - Staatsangehörigkeit rot-grün
IV. Dokumentation: 1913 ein nationalliberaler Standpunkt, 1999 ein wegen 'zu links' umstrittenes Projekt

I. Warum es kein menschenwürdiges Recht auf Staatsangehörigkeit geben kann

Die Deutschen haben sich eine neue Regierung gewählt, und die hat sich eine Reform vorgenommen: Man müsse die doppelte Staatsbürgerschaft in Kauf nehmen, um die Enkel-Generation der - einstmals sehr nützlichen - Arbeitseinwanderer umfassender für Deutschland in die Pflicht nehmen zu können. Die ehemaligen Regierungsparteien CDU und CSU machen dagegen stark, daß man unmöglich Diener zweier Herren sein kann, und um auch nur ausschließlich den deutschen Paß haben zu dürfen, schon anpasserische Vorleistungen erbringen muß. - Konsens unter den streitenden Parteien ist, daß man ökonomisch überzähligen und politisch unzuverlässigen Personen die Staatsbürgerschaft grundsätzlich verweigern sollte. Am Schicksal solcher AusländerInnen soll sich nichts ändern, und erst recht nicht am Sinn eines Staatsangehörigkeitsrechts - vielleicht überrascht gerade das an einer Debatte, die von beiden Seiten einhellig als grundsätzlich ausgegeben wird. Dieser Text soll am Thema Staatsangehörigkeit das einlösen, was die an der Debatte Beteiligten bloß versprechen: Grundsätzliches klarstellen.

Es ist augenfällig, daß Angehörige eines Staates einige Gemeinsamkeiten haben: Sie gehorchen derselben Obrigkeit, bezahlen mit demselben Geld und haben den gleichen Paß. Unabhängig davon, wie man nun Teil des Staats wird, ob durch Geburt, Einbürgerung oder noch anders: Was man davon hält, wird man als Einzelner nicht gefragt - diese Gemeinsamkeiten teilt man einfach, ob man sich vorher damit einverstanden erklärt hat oder nicht. Mehr noch: Alle Personen, die sich auch nur im Gebiet eines Staates aufhalten, stehen damit automatisch in einem Rechtsverhältnis zu diesem Staat. Ihr Aufenthalt ist entweder - ein rechtlich garantierter, ein ihnen zustehendes Recht, weil sie StaatsbürgerInnen sind, oder - der Aufenthalt wird ihnen analog zum jeweiligen Staatsbürger- Innenrecht aufgrund internationaler Verträge gewährt (Beispiel: EU-AusländerInnen), oder - er wird ihnen sogar ohne eine solche Grundlage gewährt, und ist daher jederzeit ohne besonderes Procedere rückgängig zu machen (Beispiele: Flüchtlinge, Touristen) - oder aber, - sie befinden sich illegal auf dem Gebiet des Staats; dann wird ihr Aufenthalt von der Staatsgewalt als Rechtsbruch behandelt.
Die Festlegung, wer zum Volk eines Staates gehört und wer nicht, ist eine Gewaltfrage. Sie ist nahezu ebenso wichtig wie die Frage, über welches Territorium sich die Staatsgewalt erstreckt. Hier wie da stoßen Staaten auf andere Staaten und deren Definitionen ihres jeweiligen Staatsvolks und Territoriums. Und nur zu oft wird Anspruch auf ein Territorium erhoben, weil die dort lebende Bevölkerung angeblich zum Volk des beanspruchenden Staates gehört oder gehören will oder gehören sollte. Jeder Staat verfügt über ein Ausländer- oder Fremdenrecht, und im Regelfall versagt er Personen, die ihm nicht als StaatsbürgerInnen angehören, bestimmte Rechte, die er (zumindest auf dem Papier) den Angehörigen seines Volkes garantiert.


Entweder Teil des Staatsvolkes und sein Mittel - oder nur sein Mittel
Wer auch immer sich, und sei es nur zufällig, in dem Gebiet aufhält, in dem der Staat seine Gewalt ausübt, ist eventuell Mittel dieser staatlichen Gewaltausübung. Wer aber darüber hinaus auch noch Teil des Kollektivs ist, das den Zweck des Staatshandelns abgeben soll - das ist mit dem jeweiligen Staatsangehörigkeitsrecht entschieden. Ferner geht mit diesem Recht - nämlich einer Verfügung, die sich über die Zustimmung der besonderen Person hinwegsetzt, und zwar nicht ausnahmsweise, sondern systematisch - einher, daß die jeweiligen Teile des Staatsbürgerkollektivs nicht als Individuen Zweck des Staatshandelns sind. Sondern daß sich, genau umgekehrt, ihre Interessen und Bedürfnisse nach dem zu richten haben, was der Staat als Wohl, Nutzen und Schaden des Volkes bestimmt. Von wem ein Staat im Kriegsfall verlangen kann, die staatlichen Interessen mit der Waffe in der Hand durchzusetzen, ist z.B. ebenso eine Frage der Staatsangehörigkeit, wie die Frage, wer die Regierung wählen darf, die über Krieg und Frieden entscheidet.
Von hier aus erhellen sich nicht zuletzt die grundsätzlichen Zweifel von Schäuble, Stoiber und ihren Unterschriftensammlern daran, ob irgendwelche Ausländer, die hier leben, zugleich auch loyale deutsche Staatsbürger sein können: Schließlich macht sich jede/r verdächtig, der sich der unmittelbaren Herrschaft "seines" Staates entzieht, indem er/sie das Land verläßt. Was mag so jemand, der schon einmal seinem Staat irgendwie "untreu" geworden ist, für eine "Treue zu Deutschland" entwickeln? Schließlich schlagen niemandem zwei Herzen in der Brust! Um sich davor zu fürchten, daß jemand zwei Pässe hat, muß es sich ja nicht einmal so weit kommen, daß Bundesbevölkerung und -wehr gegen das Land mobil gemacht werden, dessen Paß jemand neben dem deutschen hat.
Schon lange vorher tun sich für jeden, der sich um seine Nation sorgt, Abgründe auf. Die Loyalität gegenüber dem "eigenen" Land hat sich in der Konkurrenz mit den anderen Ländern auch schon in Friedenszeiten immer wieder zu bewähren.
Der bürgerliche Staat ist Agent der nationalen Reichtumsmehrung nach innen und außen und handhabt alle daraus unvermeidlich folgenden Interessenskollisionen mit seinen BürgerInnen und auch mit anderen Souveränen. Daraus erklärt sich sein Interesse daran, daß seine BürgerInnen ihm dauerhaft und unbedingt zugeordnet sind. (1) Es lassen sich drei verbreitete Varianten unterscheiden, zu begründen, warum bestimmte Menschen nun gerade in einem Staat zusammenleben sollen. (2)
Die klassische Theorie der amerikanischen und französischen Revolution ist die Vorstellung, der Nationalstaat sei ein Zusammenschluß der BürgerInnen zum gegenseitigen Nutzen. Das heißt: Er ist ein Willenszusammenhang, für "life, liberty and the pursuit of happiness" (wie es in der US-amerikanischen Declaration of Independence heißt), ein "Plebiszit Tag für Tag".
Abweichend von diesem Konzept und politisch gegen es gerichtet, ist die Vorstellung entstanden, die Menschen, die eine Nation oder ein Volk bildeten, gehörten aufgrund ihrer Kultur oder ihrer Sprache zusammen. Alle Varianten, daraus auf einen gemeinsamen Staat zu schließen, scheitern.
Nicht erst der Nationalsozialismus hat die Vorstellung in die Welt gesetzt, der Staat sei eine "Gemeinschaft physisch und seelisch gleichartiger Lebewesen". Das biologische Wesen des Menschen verdamme ihn dazu, nun mal in diesem und keinem anderen Staat zu leben.

Der Wunsch nach "biologisch" und "kulturell" für die Staatszugehörigkeit qualifizierten Bürgern
In jeder Variante des Nationalismus schlummert die Tendenz, die Gemeinsamkeiten von Menschen, mit denen die Nation gemacht wird, zum Grund des Nationmachen zu verklären. Die Bürger eines Staates sollen den gemeinsamen Willen zur Nation deswegen haben, weil die Zugehörigkeit zu einer gemeinsamen Kultur und Geschichte sie dazu bestimme. Die Radikalisierung des Versuches eine Volkszugehörigkeit zum Schicksal zu erklären, besteht darin, zu behaupten, daß deutsche Kultur und Sprache nur Ausdruck der physischen und seelischen Gleichartigkeit der Deutschen seien. Das ist auch konsequent - denn einen Willen kann jemand haben oder nicht. Gegen sein "Schicksal" oder sein "biologisches Wesen" kann er jedoch nichts ausrichten. Der Glaube an so etwas paßt zum bürgerlichen Interesse daran, Teil eines Gemeinwesens zu sein, dessen Programm sich gerade über die besonderen Interessen seiner Mitglieder hinwegsetzen soll - er kommt nämlich dem Bedürfnis entgegen, nichts von dem Widerspruch wissen zu wollen, in den sich ein solches Interesse verstrickt. (Was jedoch nicht den Umkehrschluß zuläßt, daß völkische Propaganda bei den Mitgliedern solcher Gemeinwesen zwangsläufig einen Erfolg landet!)
Genau deshalb, weil sie nur Radikalisierungen des Willens-Konzeptes sind, sind pseudo- biologischer und kulturalistischer Nationalismus durchaus anschlußfähig an Märchen von Vertragsgemeinschaften u.ä. Die Behauptung, daß jemandem der Wille zur Nation nur dann zuzutrauen sei, wenn er zusätzlich biologisch oder kulturell "qualifiziert" ist, ist offensichtlich weit verbreitet; und ebenso die aus solch einer Vorstellung abgeleitete Interpretation bzw. Forderung der kulturellen Anpassung als Zeichen für den Willen zur jeweiligen Nation.

Das Prinzip der Abstammung schließt sich mit anderen Bestimmungen der Staatszugehörigkeit nicht aus
Alle Staaten haben das ius sanguinis (3) in ihrem Staatsangehörigkeitsrecht: Keine moderne Staatsgewalt verzichtet drauf, die Nachkommenschaft ihrer BürgerInnen für sich in Anspruch zu nehmen. Zusätzlich aber verleihen insbesondere die westlichen Staaten und die ehemaligen Kolonien in Amerika auch fast allen Menschen, die auf ihrem Territorium geboren wurden, dieStaatsbürgerschaft. In allen Staatsangehörigkeitsrechten gibt es die Möglichkeit, die Einbürgerung zu beantragen oder aber die Staatsbürgerschaft verliehen zu bekommen.
In der bislang `liberalsten' Fassung eines Staatsangehörigkeitsrechts, der französischen Verfassung von 1793, heißt es in Art. 4 "Vom Stand der Bürger": "Jeder Ausländer, der das Alter von 21 erlangt hat, in Frankreich seit einem Jahre ansässig ist und dort von seiner Arbeit lebt oder ein Besitztum erwirbt oder eine Französin heiratet oder ein Kind annimmt oder einen Greis ernährt, jeder Ausländer endlich, von dem die gesetzgebende Körperschaft erklärt, daß er sich um die Menschheit besonders verdient gemacht hat, ist zur Ausübung der Rechte eines französischen Bürgers zugelassen." Selbst diese Vorstellung faßt nur den gesellschaftlichen Nutzen, den ein Ausländer haben muß, sehr weit - selbstverständlich ist aber auch hier, daß ein Ausländer für den Staat des Geburtskollektivs der FranzösInnen nützlich zu sein hat.
In Wirklichkeit ist gar keine ausschließende Entscheidung zwischen Blut und Willen zu fällen. Selbst im einschlägigen Nazi-Gesetz heißt es beispielsweise: "Reichsbürger ist nur der Staatsangehörige deutschen oder artverwandten Blutes, der durch sein Verhalten beweist, daß er gewillt und geeignet ist, in Treue dem Deutschen Volk und Reich dienen" (RGBI 1935, Teil I, S.1146).
Auch hier ging es also letztlich darum, wem man den Willen zur Nation zutraut. Völkische und kulturalistische Nationalisten sind sich einig in ihrem prinzipiellen Mißtrauen, ob Leute mit dem `falschen´ Blut oder einem anderen kulturellen Hintergrund überhaupt glaubwürdig sind. Die Nazis haben das generell für ziemlich unmöglich gehalten. Da aber ihre Gleichung "physische Beschaffenheit = psychische Beschaffenheit" auch umkehrbar ist, haben selbst die Nationalsozialisten, jenseits aller Schädelmesserei, in den geistigen Leitungen auch ein Indiz für die rassischen Qualitäten eines Menschen gesehen, die ihn ja zu einer Staatsbürgerschaft qualifizieren - oder nicht.
Die einzige Gruppe, mit der sie strikt biologistisch verfahren sind, waren die Juden; ihnen wurde ein Bekenntnis zu Deutschland oder gar zum III. Reich prinzipiell als arglistiges Täuschungsmanöver ausgelegt. Das Schicksal der deutschen Juden beseitigt jede Illusion davon, daß, wer die von der Nation abverlangte Anpassungsleistung erbringt, dafür dann wenigstens mit Sicherheit als vollwertiger Teil der Nation anerkennt wird.

Rechte als Bürger und Anteil am nationalen Erfolg zu haben - kein Glück, sondern ein Pech
Doch selbst der Rechtsstatus des Staatsbürgers garantiert noch für nichts. Daß Welten dazwischen liegen, Berufsfreiheit zu genießen - und einen Job zu ergattern, Freizügigkeit zu haben - und bezahlbaren Wohnraum zu kriegen, last not least, sich versammeln, vereinigen etc. zu dürfen - und sich zur Verfassung dieses Staates stellen zu dürfen, wie man es für vernünftig und wahr hält, das erfährt man als Bürger schon früh genug. Denn Staaten garantieren zwar - unter Einsatz ihrer Gewaltmittel - all ihren Bürgern Rechte: Freiheit, Gleichheit und Eigentum. Vor allem letzteres unterscheidet die Bürger im Kapitalismus jedoch voneinander: Neben den Kapitalisten gibt es solche, die ihre Arbeitskraft als ihren einzigen nennenswerten Besitz verkaufen müssen, da sie zum Leben auf den Arbeitslohn angewiesen sind. Das Recht auf Eigentum nützt also nur einer der beiden Klassen. Ähnlich die Verpflichtung darauf, sich gegenseitig als freie Person zu achten: Sie garantiert dem Lohnabhängigen, daß er nicht zum Sklaven oder Leibeigenen wird, sondern mit irgendeinem Kapitalisten einen Arbeitsvertrag abschließt. Aber er macht das nur der Form nach freiwillig; der Zweck, für den er nach Vertragsabschluß arbeiten muß, ist nicht der seine. - Der Staat ist insofern ein kapitalistischer Klassenstaat, obwohl er im Wesentlichen nicht als Instrument besonderer Interessen funktioniert, sich also nicht jeden Donnerstag die großen und fiesen Kapitalisten der Republik treffen, um die Politiker für die nächste Woche neu zu programmieren. Mit dem Recht und einigen weiteren Maßnahmen tut er seinen Untertanen keine Wohltat, sondern zwingt sie dazu, sich ausschließlich aus den Mitteln zu erhalten, die ihnen je nach Klassenzugehörigkeit zur Verfügung stehen. Für die vielen, für die das nichts anderes heißt als ausgebeutet zu werden, gibt es nur den schalen Trost, unter Einsatz ihrer Arbeitskraft zur abstrakten Summe des Erfolgs aller Bürger beigetragen zu haben. Und worin besteht die Gemeinsamkeit dieser Bürger? Darin, vom gleichen Staat mit Rechten ausgestattet zu werden. Vom begründeten Wunsch, im Gewaltbereich eines Staates wenigstens als Bürger von ihm anerkannt zu werden, ist es daher nicht weit zur Einsicht, daß es besser wäre, der staatlichen Gewalt und der Gnade, zum nationalen Erfolg beizutragen, nicht ausgeliefert zu sein.

II. Zum geltenden Staatsangehörigkeitsrecht

In Deutschland ist das Staatsangehörigkeitsrecht durch das Reichs und Staatsangehörigkeitsgesetz (4) vom 22. Juli 1913 geregelt. Danach gibt`s die deutsche Staatsangehörigkeit prinzipiell nur, wenn die Eltern bei Geburt eines Kindes Deutsche waren. Wer diese "Gnade" nicht hat, hat Pech: "Ein Anspruch auf Einbürgerung besteht nicht", sagt schon ein von Hitlers Reichsregierung im Jahre 1935 beschlossenes Gesetz. (5) Die Nazis waren aber nicht nur gegen Einbürgerungen - es konnten auch Menschen, die die deutsche Staatsangehörigkeit hatten, ihre Staatsangehörigkeit verlieren - wenn sie "undeutsch" waren. Die Idee, jemanden wieder ausbürgern zu können, wenn er/sie sich nicht wohlfeil verhält, wird durch CSU-Vorschläge wiederbelebt. Die Ausbürgerungsmöglichkeit wurde nach dem Ende des Faschismus als Naziunrecht aufgehoben, aber daß zunächst einmal niemand ein Recht auf Einbürgerung hat, ist bis heute so. Nur für "Ausländer" zwischen 16 und 23, die acht Jahre im Bundesgebiet wohnen, mindestens sechs Jahre in Deutschland die Schule besucht haben, nicht wegen einer Straftat verurteilt worden sind und ihre bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben sowie für "Ausländer", die sich seit 15 Jahren rechtmäßig in Deutschland aufhalten, nicht wegen einer Straftat verurteilt worden sind und den Lebensunterhalt für sich und ihre unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Sozial- oder Arbeitslosenhilfe bestreiten können, gibt es einen Anspruch auf Einbürgerung. (6) Wessen Ur-Ur- Großeltern jedoch "Deutsche" waren, die gen Osten ausgewandert sind, hat diese Schwierigkeiten nicht: Er/sie hat ja »deutsches Blut" in seinen/ihren Adern fließen, was automatisch zur deutschen Staatsangehörigkeit führt.

III. Dokumentation: Alles neu, nichts anders - Staatsangehörigkeit rot-grün

"(...) Wir erkennen an, daß ein unumkehrbarer Zuwanderungsprozeß in der Vergangenheit stattgefunden hat und setzen auf die Integration der auf Dauer bei uns lebenden Zuwanderer, die sich zu unseren Verfassungswerten bekennen. Im Zentrum unserer Integrationspolitik wird die Schaffung eines modernen Staatsangehörigkeitsrechts stehen. Dabei sind insbesondere zwei Erleichterungen umzusetzen: - Kinder ausländischer Eltern erhalten mit Geburt in Deutschland die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil bereits hier geboren wurde oder als Minderjähriger bis zum 14. Lebensjahr nach Deutschland eingereist ist und über eine Aufenthaltserlaubnis verfügt. (7)

- Unter den Voraussetzungen von Unterhaltsfähigkeit und Straflosigkeit erhalten einen Einbürgerungsanspruch
- Ausländerinnen und Ausländer mit achtjährigem rechtmäßigen Inlandsaufenthalt
- minderjährige Ausländerinnen und Ausländer, von denen wenigstens ein Elternteil zumindest über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis verfügt und die seit fünf Jahren mit diesem Elternteil in familiärer Gemeinschaft in Deutschland leben
- ausländische Ehegatten Deutscher nach dreijährigem rechtmäßigen
Inlandsaufenthalt, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens zwei Jahren besteht.

In beiden Fällen ist der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nicht von der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit abhängig. Wir werden Einbürgerungen auch dadurch erleichtern und beschleunigen, daß wir auf überflüssige Verfahren verzichten. Zur Förderung der Integration sollen auch die hier lebenden Ausländerinnen und Ausländer, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union besitzen, das Wahlrecht in Kreisen und Gemeinden erhalten. (...)"

IV. Dokumentation: 1913 ein nationalliberaler Standpunkt, 1999 ein wegen `zu links´ umstrittenes Projekt

"(...) müssen wir Deutsche uns auf den Standpunkt stellen, daß ein Bedürfnis, nun eine Einwanderung vom Ausland zu erhalten, bei uns nur in sehr geringem Maße vorliegt. (...) Wir haben an sich nicht das geringste Interesse, unsere Bevölkerung noch durch einen Zuzug vom Ausland zu vermehren. Aber es muß wohl erwogen werden, ob es nicht vielleicht günstig sein dürfte, solchen Ausländern, welche hier in Deutschland geboren sind, und während 21 Jahren, also bis ihrer Mündigkeit, mit kurzen Unterbrechungen, möchte ich sagen, in Deutschland gelebt haben, hier die Schule besucht haben, in
Wirklichkeit vollständig Deutsche geworden sind, auch wenn sie ausländische Eltern gehabt haben, denen die Reichs- und Staatsangehörigkeit zu geben, ohne daß das noch an besondere Bedingungen vorher geknüpft ist."

von Richthofen, nationalliberaler Abgeordneter im Reichstag, am 27.02.1913.

Anm. d. Red.: Die Nähe von Rot-Grün 1999 zur nationalliberalen Position von 1913 ist unübersehbar. Konservative und Nazis vertreten derzeit noch nicht einmal diese Position, sondern sammeln Unterschriften dagegen.