31.12.1997 PDF

Stoffkundebroschüre - Opium : Safer Use von Heroin


Besonders bei diesem Text sei darauf verwiesen, dass er seit 1998 nicht aktualisiert wurde.

Da Heroin zumindest unter den Bedingungen der Illegalität die Substanz darstellt, deren Konsum die desaströsesten Folgen nach sich ziehen kann, soll an dieser Stelle ausführlicher als bei den anderen Stoffen auf Praktiken des Safer Use eingegangen werden. Behandelt werden können aus Platzgründen allerdings in erster Linie Problemstellungen, die für AnfängerInnen und Erst-UserInnen von Interesse sind. Wer bereits dauerhafte HeroingebraucherIn ist oder eine solche Karriere plant oder aus anderen Gründen sich mit Fragen wie "Wohin spritzen, wenn keine Vene mehr in Frage kommt?" konfrontiert sieht, sei auf die Safer Use - Faltblätter, wie sie in allen akzeptierenden Beratungsstellen ausliegen, sowie auf das umfassende Kompendium "Risiko mindern beim Drogengebrauch" (Heudtlass/Stöver/Winkler [Hrsg.], Frankfurt 1995) verwiesen.

APPLIKATION
Heroin kann, wie beschrieben, gegessen, geraucht, geschnupft und injiziert werden. Welche Form der Aufnahme gewählt wird, hängt von verschiedenen Kriterien ab: So gibt es gegen Spritzen und auch gegen Sniefen häufig gefühlsmäßige Vorbehalte, während Rauchen sich recht kompliziert gestalten kann und Essen bzw. Trinken den geringsten Heftigkeitsgrad in der Wirkung zeitigt. Die technisch einfachste wie zugleich die risikoärmste ist dabei - wie bei allen anderen Drogen - die orale Applikation, bei der das Heroin gelöst wird und nach einiger Zeit die Wirkung einsetzt. Da das so verwendete Heroin weniger effizient genutzt wird, ist diese Technik für wenige KonsumentInnen attraktiv.

SNIEFEN
Beim Sniefen wird das Heroin auf einer möglichst glatten Unterlage in möglichst kleine Krümel zerkleinert und durch ein Röhrchen (Röhrchen nicht gemeinsam benutzen! Keine Banknoten zum Sniefen benützen!) in die Nase gesogen, wo es schnell in die Blutbahn gelangt und die Wirkung bald eintritt. Besonders die Beimengungen zum Straßenheroin können die Nasenscheidewände stark strapazieren, und eventuell kommt es zu eitrigen Entzündungen. Da zudem meistens die ganze Menge auf einmal eingenommen wird, besteht das Risiko der Überdosierung bei unbekanntem Reinheitsgrad. Daher möglichst beim Sniefen Pausen einlegen. Vorteil dieser Methode ist u.a. das geringe Infektionsrisiko durch Bakterien oder Viren.

RAUCHEN
Rauchen von Heroin, auch 'Chinezen' oder 'Chasing the dragon' genannt, ist etwas komplizierter als Tabakrauchen. Die Vorteile gegenüber intravenösem Drogengebrauch bestehen zum einen in der beim Rauchen möglichen Qualitätskontrolle, zum anderen in dem erheblich geringeren Überdosierungs- und Infektionsrisiko; bekanntlich stellt die Lunge einen extra guten Filter für alle möglichen Formen von Verunreinigungen - Beimengungen wie auch Krankheitserreger - dar. Heroinrauchen schadet den Atemwegen nicht mehr als Zigaretten- oder Haschischrauchen. Nicht empfehlenswert ist es für Leute mit Tendenz zu Bronchitis oder Bronchialasthma.

Folie zubereiten: Heroin wird von einer Alu-Folie geraucht, die von unten erhitzt wird. Der Rauch wird durch ein dünnes Röhrchen inhaliert. Die geeignetste Folie ist die klassische Alu-Küchenrolle, von der zuerst die dünne Plastikschicht vorsichtig abgebrannt wird. Auch einige Schokoladenfolien eignen sich zu diesem Zweck. Nach dem Erhitzen schmilzt das Dope, was einige Qualitätskontrollen möglich macht: Lässt es sich gut auf der Folie bewegen und hinterlässt kleine schwarze Flecken, ist es gut. Auch erkaltetes, geronnenes Heroin kann man überprüfen: Wenn es sich einfach von der Folie löst und gegen das Licht keine Unreinheiten erkennen lässt, taugt es etwas.

Wirkungsgrad erhöhen: Der Anteil des Heroins am eingeatmeten Rauch hängt von der Verarbeitungsform und den beigesetzten Streckmitteln ab. Türkisches Heroin soll sich z.B. besser eignen als chinesisches. Glukose und Lactose, beliebte Streckmittel, vermindern den H- Gehalt erheblich, während Coffein, das schon bei 100° C verdunstet und "alles mitnimmt", ihn erhöht. Insofern kann es sich empfehlen, ein bis zwei Coffeincompretten (gibt's in jeder Apotheke) zerbröselt beizumengen. Auf keinen Fall Kaffee rauchen - macht blind! Schon nach dem ersten Zug müsste festzustellen sein, ob das Dope wirkt oder nicht. So lässt sich über Stunden von einer Folie rauchen, ohne sich in die Gefahr zu begeben, sich überzudosieren.

SPRITZEN
Spritzen ist wahrscheinlich die risikoreichste Konsumform, aber aufgrund der hohen Effektivität auch die unter Schwarzmarktbedingungen beliebteste. Wer fixt, setzt sich mehreren Gefahren aus: ungewollten Überdosierungen, Infektionen (die sich übers Spritzen übertragen) oder Abszessen, die durch falsche Spritztechniken entstehen. Andererseits geht es schnell, und die Wirkung setzt unmittelbar ein. Basics: Das Heroin wird auf einen Löffel gegeben, in Wasser und evtl. Ascorbinsäure unter sekundenlangem Erhitzen aufgelöst. Die Flüssigkeit wird durch einen Filter in die Spritze aufgesogen, anschließend die Nadel aufgesetzt und die verbliebene Luft aus der Spritze gedrückt. Durch einen Gürtel u.ä. wird oberhalb der Vene das Blut gestaut, damit die Vene heraustritt. Die Nadel wird in die Vene geschoben und etwas Blut aufgesogen, um zu sehen, ob tatsächlich getroffen wurde. Danach wird das Heroin injiziert; eine Wirkung ist unmittelbar spürbar.

Spritzen & Nadeln: Spritzen können in jeder Apotheke erworben werden, manchmal allerdings nur in größeren Mengen. Geeigneter als einteilige Insulinspritzen, denen wegen der dünnen und biegsamen Nadel u.a. die Gefahren des Aufschlitzens der Vene oder des Abbrechens innewohnen, sind zweiteilige Spritzen mit dickeren Nadeln. Laut der Junkie-Zeitschrift "Virulent" von 1991 bieten 'BD-Einmalspritzen' das beste Preis-Leistungs-Verhältnis. Spritzen und Nadeln sollten immer nur einmal benutzt werden, um das Infektionsrisiko (verdreckte Spritzen, Ansteckungsgefahr beim gemeinsamen Spritzengebrauch) zu vermeiden. Da es in der BRD inzwischen viele Spritzentauschprogramme gibt, sollte dies möglich sein; wer aus Gründen der Verknastung o.ä. auf Mehrfachgebrauch angewiesen ist, sollte im allergrößten Notfall die Spritze zunächst mit kaltem Wasser ausspülen und dann mit Haushaltsbleiche (Natriumhypochlorid) desinfizieren, die in Drogerien erhältlich ist.

Löffel & Filter: Auch die Löffel müssen vor der Verwendung desinfiziert werden, um Bakterien, Viren und Schmutz (z.B. vom Ruß) nicht in die Spritze gelangen zu lassen. Hierzu bieten sich z.B. ungebrauchte Alkoholtupfer an. Filter werden verwendet, um gröbere Schmutzpartikel aus der Heroinlösung zu entfernen. Sie taugen nicht zur Desinfektion vor Pilzen, Bakterien und Viren! Geraten Schmutzpartikel ab der Größe von 0, 1 mm in die Vene, kann dies die Venenwände oder die Herzgefäße verletzen. Gut geeignet sind feste Mullbinden und ungebrauchte Zigarettenfilter. Filter sollten immer nur einmal benutzt werden.

Wasser & Säure: Zum Lösen des Heroins sollte möglichst sauberes Wasser, am besten in Einwegampullen aus der Apotheke, ansonsten fließendes Wasser genommen werden - kein kohlensäurehaltiges Mineralwasser. Sehr gutes Dope löst sich so in Wasser, ansonsten muss Ascorbinsäure zugesetzt werden. Vitamin C ist überall erhältlich und sparsam dosierbar. Nie Zitronensaft verwenden, da der Körper empfindlich darauf reagiert und kleine Fruchtstückchen in die Blutbahn geraten können!

Gurt & Schuss: Im allgemeinen wird in Venen der Ellenbeuge oder des Unterarmes injiziert. Um eine geeignete Vene zu finden, kann z.B. eine Faust gemacht werden, die mehrmals hintereinander schnell geöffnet und geschlossen wird. Ist eine Vene gefunden, wird mit einem Gurt gestaut, der nach Möglichkeit einhändig zu lösen ist. Am sichersten ist es, den Gurt zwischen den Zähnen festzuhalten, um im Falle einet Bewusstseinstrübung durch zu hohe Dosierung den Stau automatisch zu lösen; Notfallpraxen berichten Fälle von abgestorbenen Armen nach einer Ohnmacht.
Wenn die Vene getroffen wurde, lässt sich dunkelrotes Blut auf die Spritze ziehen. Achtung: schießt hellrotes Blut druckvoll in die Spritze (u.U. kann die Spritze sogar weggedrückt ausziehen und die Stelle mindestens 10 min. abdrücken! Ansonsten kann das Heroin langsam und (um einen Blutstau zu vermeiden) in Herzrichtung spritzend injiziert werden. Um sicherzugehen, sollte nicht das ganze Dope auf einmal gespritzt werden, sondern in zwei Etappen: Damit kann ein allergischer Schock oder eine Überdosis mit Atemstillstand evtl. vermieden werden. Der nächste Druck sollte an einer anderen Stelle der Vene, mindestens 1 cm entfernt, angesetzt werden, um die Regeneration der Vene zu erleichtern. Venen, in die täglich injiziert wird, thrombosieren irgendwann; Abszesse hingegen entstehen nur bei verschmutzten Injektionen und sehr viel häufiger bei anderen als der intravenösen Spritztechnik.
Um das Risiko von Überdosierungen und toxischer Beimengungen zu minimieren, empfiehlt sich eine Qualitätskontrolle, wie sie in den Absätzen über Rauchen sowie Auflösen beschrieben wurde. Andere Tests (Geschmacksprobe oder Aussehen) sind kaum aussagekräftig. Auf jeden Fall sollte Mischkonsum, die häufigste Ursache von Drogenunfällen, vermieden werden; insbesondere Alkohol, aber auch Benzoldiazepine machen den Körper sehr viel weniger tolerant für Heroin, als er es sonst vielleicht ist. Auch das eigene körperliche wie auch psychische Befinden sollte in Rechnung gestellt werden, und wer nach einer längeren Pause wieder drücken will, sollte natürlich mit der kleinsten Dosis anfangen!