31.12.1997 PDF

Stoffkundebroschüre - A: Rechtshilfeinfo

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Außer Alkohol, den meisten Psychopharmaka und den Purindrogen unterliegen alle in dieser Broschüre aufgeführten Substanzen dem Betäubungsmittelgesetz (BtmG). Besitz, Handel und Erwerb dieser Substanzen sind ohne die speziellen Genehmigungen, die es für Substanzen der Klassen II und III gibt, grundsätzlich strafbar. Falls Ihr wegen eines Verstoßes gegen das BtmG in Konflikt mit der Justiz geraten solltet, sei verwiesen auf "Drogenpraxis, Drogenrecht, Drogenpolitik" von L. Böllinger, H. Stöver und L. Fietzek, erschienen im Fachhochschulverlag, Frankfurt/Main. Rechtshilfetipps, insbesondere bei Haschischdelikten, kann Euch auch das Grüne Hilfe Netzwerk (http://www.gruene-hilfe.de/). All das kann jedoch nicht den Anwalt ersetzen, den Ihr im Falle eines (drohenden) Verfahrens gegen Euch auf jeden Fall einschalten solltet. Im Folgenden sind lediglich ein paar grundsätzliche Verhaltensregeln für den Fall des Falles aufgeführt.


HAUSDURCHSUCHUNG
Wenn Menschen in Uniform oder Zivil klingeln, sollten sie sich zunächst einmal ausweisen. Verweigern sie das, so verabschiedet Ihr Euch und das war's dann erst einmal.
Auf jeden Fall solltet Ihr die Leute nur in Eure Wohnung lassen, wenn sie einen durch einen Richter bzw. bei "Gefahr im Verzug" Staatsanwalt oder Polizei angeordneten Durchsuchungsbefehl haben. Wenn Ihr in WG wohnt, sollte an jeder Tür der Name der dort wohnenden Person stehen: Ansonsten darf die ganze Wohnung durchsucht werden. Wenn Eure Wohnung durchsucht wird, solltet Ihr weitere Zeugen (Freunde, Anwalt) hinzuziehen. Das Telefonieren darf Euch während der Durchsuchung nicht verboten werden. Seid freundlich, redet aber nur das Nötigste und fordert auf jeden Fall ein Protokoll, das die beschlagnahmten Gegenstände ausweist. Bei Beschädigungen Zeugen zur Beweissicherung holen und Fotos machen. Binnen vier Wochen kann beim Oberlandesgericht Antrag auf Entscheidung der Rechtmäßigkeit des "Justizverwaltungsakts" der Hausdurchsuchung gestellt werden.
Falls Ihr lediglich "ein paar Fragen beantworten" sollt, könnt Ihr, je nach Einschätzung der Situation, die Aussage verweigern, mit aufs Präsidium kommen und dort die Aussage zu Protokoll geben oder, wenn Ihr gerade keine Zeit habt, die Leute auffordern, später noch mal vorbeizukommen.


PERSONENDURCHSUCHUNG
Nur eine verdächtige Person darf durchsucht werden, körperliche Eingriffe wie Blutabnehmen oder Magenauspumpen dürfen nicht vorgenommen werden. Eine Frau darf nur von einer Frau oder einem Arzt durchsucht werden. Sachen, die man bei sich hat, dürfen ebenfalls durchsucht werden. Falls Gegenstände beschlagnahmt werden, solltet Ihr Euch ein Verzeichnis davon geben lassen. Der Besitz eines Spritzbesteckes lässt nicht auf ein (strafbares) Drogendelikt schließen, sondern gilt lediglich als Indiz für den straflosen Eigenkonsum. Im Gegensatz zum Besitz ist der Konsum einer illegalen Droge nicht verboten. Eine in sich alberne Unterscheidung des Repressionsregimes macht hier tatsächlich einen praktischen Unterschied.


BESCHLAGNAHMUNG/UNTERSUCHUNG
Bei richterlicher Anordnung oder "Gefahr im Verzug" können Sachen als Beweismittel beschlagnahmt werden. Bei Betäubungsmitteln ohne Widerspruch der Beschlagnahmung zustimmen. Auf jeden Fall ein Protokoll geben lassen!
Körperliche Untersuchungen dürfen zur Feststellung von Tatsachen angeordnet werden, die für ein Verfahren von Bedeutung sind. In jedem Fall sofort Widerspruch einlegen: eine Taktik, um leichter Akteneinsicht zu bekommen, die wiederum essentiell für eine angemessene Verteidigung ist. Protokolle etc. nur unterschreiben, wenn alles o.k. ist.


VERNEHMUNG DURCH DIE POLIZEI
Als Zeuge und Beschuldigter kann man durch die Polizei vernommen werden. Einer Vorladung zur Polizei muss man nicht Folge leisten, nur zum Richter oder Staatsanwalt muss man letztlich hin, sonst kann man vorgeführt werden. Bei der Polizei außer Angaben zur Person keine Aussage machen (Aussage- bzw. Zeugnisverweigerungsrecht).
Ist eine Vorführung angedroht, sofort mit Hinweis auf Aussageverweigerung Rechtsmittel dagegen einlegen. Wird die Androhung der Vorführung für rechtskräftig erklärt, muss man erscheinen, braucht dann aber keine Aussage zu machen
Zeugen müssen bei einer Ladung erscheinen und aussagen, sofern sie nicht von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht (als Ehepartnerin, FamilienangehörigeR oder sich selbst BelastendeR) Gebrauch machen.


FESTNAHME
Voraussetzungen einer Festnahme sind:
- Gefahr im Verzug, so dass ein Haftbefehl nicht mehr zu erwirken ist
- dringender Tatverdacht einer Straftat
- Haftgrund Verhältnismäßigkeit der Maßnahme in bezug auf den Anlaß
Antrag auf Vernichtung der Unterlagen stellen. Als Beschuldigter darf man einen Angehörigen und einen Rechtsanwalt benachrichtigen, ist jedoch nicht unbedingt berechtigt, selbst zu telefonieren. Kein Geständnis ablegen! Versprechungen, nach einem Geständnis freigelassen zu werden, sind unverbindlich, da verboten. Immer vorsichtig sein, mit dem, was man sagt, und Protokolle nur im Falle eines Geständnis unterschreiben. Auch auf Entzug gut überlegen, ob man gestehen will; wenn es nicht dringend unangebracht erscheint, zu Protokoll geben, dass man unter Entzugserscheinungen gelitten hat, um bei Bedarf verminderte Zurechnungsfähigkeit geltend machen zu können.
Bis zum Ende des auf die Verhaftung folgenden Tages muss man einem Richter vorgeführt werden; bis zu diesem Zeitpunkt sollte man einen Pflichtverteidiger beantragt haben. Man kann jederzeit eine Haftprüfung durch einen Richter beantragen; dies sollte allerdings nur nach Rücksprache mit einem Anwalt geschehen.
Bei dringendem Tatverdacht, Vorliegen eines Haftgrundes und Verhältnismäßigkeit darf durch den Haftrichter beim Amtsgericht Untersuchungshaft angeordnet werden. Haftgründe sind: Flucht, Fluchtgefahr, Verdunklungsgefahr und unter besonderen Voraussetzungen Wiederholungsgefahr.
Auch bei Aufrechterhaltung des Haftbefehls kommt dessen Aussetzung, evtl. gegen Kaution, in Betracht. Der frühzeitige Beginn einer ambulanten oder stationären Therapie kann hier von Vorteil sein.


EINSTELLUNG DES STRAFVERFAHRENS WEGEN GERINGFÜGIGKEIT
Zur Entlastung der Staatsanwaltschaft werden BtmG-Strafverfahren unter Umständen wegen Geringfügigkeit eingestellt. Wann ein Delikt geringfügig ist, variiert von Bundesland zu Bundesland allerdings sehr - wer in Bayern wohnt, hat leider häufig verloren. Entkriminalisiert werden sollen in der Regel nur Gelegenheitskonsumenten, die eine geringe Menge Btm zum Eigengebrauch mit sich führen. In der Regel wird der Bedarf von drei Tagen in Form von Konsumeinheiten bestimmt und als Grenze der "geringen Menge" definiert. Dabei kommt es, soweit feststellbar, auf die tatsächliche Wirkstoffmenge (z.B. Anteil des THC im Haschisch) und die Anzahl der mit dieser Menge erzeugbaren Rauschzustände an. Die Festlegung der Grenzwerte ist regional uneinheitlich.


MÖGLICHE VERFAHRENSAUSGÄNGE:
- Absehen von Strafe bzw. Einstellung des Verfahrens durch das Gericht
- Vorläufiges Absehen von Klage mit Weisungen und Auflagen. Ohne
Rechtsgrundlage wird hier zuweilen eine Therapieauflage ausgesprochen.
- Verwarnung mit Strafvorbehalt
- Verurteilung zu Geld- oder Freiheitsstrafe
Gegen eine Verurteilung zu Strafe und/oder Maßregel ist innerhalb einer Woche die Einlegung von Rechtsmitteln möglich. In der deutschen Rechtssprechung gilt der Grundsatz "Therapie statt Strafe", d.h. Strafvollstreckung kann zugunsten therapeutischer und rehabilitativer Maßnahmen zurückgestellt werden. Dafür gibt es zahlreiche Voraussetzungen, die mit dem Anwalt unter Hinzuziehen einer akzeptierenden Drogenhilfeeinrichtung geklärt werden sollten.